IWES prüft Rotorblätter von Windenergieanlagen

Innovatives Lebensdauer-Monitoring mithilfe AICONs Messtechnik

Das Fraunhofer IWES (Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik) mit Sitz in Bremerhaven wurde zum Jahresbeginn 2009 gegründet. Im Kompetenzzentrum Rotorblatt setzt man auf AICONs optisches, kamerabasiertes 3D Messsystem MoveInspect HF, das dynamische Messungen in Echtzeit vornimmt und im Vergleich zu klassischen Seilzugpotentiometern klare Vorteile bietet.


„Better Blade“ – Projekt für innovatives Prüfverfahren

Bei welchen Lasten ermüden Rotorblätter und wann werden Materialfehler sichtbar? Diese Fragestellung untersucht das Kompetenzzentrum Rotorblatt des IWES unter der Leitung von Dr. Arno van Wingerde. Im Rahmen des Projektes „Better Blade“ befasst sich das Kompetenzzentrum mit der Entwicklung eines optimierten, innovativen Prüfverfahrens zur Zertifizierung der Rotorblätter. 

Falko Bürkner, Mitarbeiter im Kompetenzzentrum Rotorblatt und Gruppenleiter für Rotorblattprüfungen, erläutert die Zielsetzung des Projekts: „Allgemein gesprochen soll das Prüfverfahren hinsichtlich verschiedener Faktoren optimiert werden, z. B. in Bezug auf die Messgenauigkeiten. Um dies zu erreichen, haben wir den gesamten Prüfprozess analysiert und Verbesserungsmöglichkeiten erarbeitet. Unter anderem haben wir dabei die bislang eingesetzten Seilzugpotentiometer als Schwachstelle identifiziert. Ab einer bestimmten Seillänge werden die Seilzüge zu träge, sie reagieren nicht mehr schnell genug auf hochdynamische Bewegungsänderungen. Dies kann zu ungenauen Messergebnissen führen. So kamen wir auf die Idee, anstelle dieser mechanischen Messverfahren künftig ein optisches 3D Messsystem zur Rotorblattprüfung einzusetzen, bei dem keinerlei Kopplung zwischen Messgerät und Prüfling besteht.“

Das IWES führte ausführliche Tests des optischen Messsystems MoveInspect HF durch. Dabei zeigte sich schnell, dass MoveInspect HF in der Lage ist, unabhängig vom Maß der Auslenkung und der Geschwindigkeit des Rotorblatts hochgenaue Messergebnisse in Echtzeit zu liefern.


Anforderungen an das optische 3D Messsystem

MoveInspect HF muss jedoch noch weitere Anforderungen erfüllen. Das Team um Dr. Arno van Wingerde erarbeitete einen ausführlichen Katalog, der neben den Genauigkeitsspezifikationen auch testbezogene Leistungsmerkmale vom Messsystem einfordert:

1. Statische Belastungstests

Für den statischen Belastungstest wird das Rotorblatt über Bolzen an einem Stahl-Betonblock fixiert. Dann wird die Belastung in einer vertikalen Ab­wärtsbewegung über hydraulische Zylinder, Seile und Umlenkrollen realisiert, wobei das Blatt 1 bis 20 Meter ausgelenkt wird und kurzzeitig in der jeweiligen Position verharrt. Das optische Messsystem MoveInspect HF soll die Positionsänderung des Rotorblattes im Raum verfolgen und die 3D Koordinaten relevanter Punkte an das zentrale Messwerterfassungssystem per CAN-Bus in Echtzeit weiterleiten. Dabei ist es besonders wichtig, dass das optische System über einen unbegrenzten Zeitraum präzise 3D Messungen vornimmt und beliebig viele Punkte gleichzeitig misst.

2. Zyklische Belastungstests

Die millionenfachen Lastwechsel mit unter­schiedlichen Amplituden, die während der Lebensdauer des Blattes auftreten, werden durch Lastwechsel konstanter Amplitude nachgebildet. Hierzu regt man das Rotorblatt in seiner Eigenfrequenz in Schlag- oder in Schwenk­richtung an. Im Rahmen der biaxialen Prüfung wird darüber hinaus die parallele Anregung in beide Richtungen vorgenommen. Dabei werden Lasten über einen einzigen hydraulischen Zylinder im mittleren Bereich des Rotorblatts aufgetragen.

Die synchron erfassten Messwerte müssen kontinuierlich in Echtzeit an das zentrale Messwerterfassungssystem weitergegeben werden. 

3. Generelle Anforderungen:

Messbare Verformung: bis zu 20 Meter
Aufzeichnungsfrequenz: > 100 Hertz, Echtzeitfähigkeit
Messgenauigkeit: < 2 Millimeter, in Abhängigkeit der Objektgröße
Aufnahmedauer: ohne zeitliche Begrenzung
Messaufbau: mobil einsetzbar


MoveInspect HF erfüllt alle Anforderungen des IWES

Nach ausführlichen Tests kam das IWES zu dem Schluss, dass MoveInspect HF nicht nur alle Anforderungen erfüllt, sondern darüber hinaus weitere Vorteile hinsichtlich Effizienz und Datendichte bietet. So wurde das System schließlich Anfang 2011 beschafft.

Falko Bürkner erläutert die Vorzüge: „MoveInspect HF reduziert den Installationsaufwand vor Versuchsbeginn. Im Vergleich zu den Seilzugpotentiometern sparen wir rund 30 Minuten pro Versuch. Das klingt zunächst nicht besonders viel. Wenn man jedoch bedenkt, dass bei jedem Test ein großer Personenkreis anwesend ist, kommt so rechnerisch eine hohe Summe an vermeidbaren Personalkosten heraus. Noch wichtiger ist für uns allerdings, dass wir mit MoveInspect HF auch bei der Auswertung der Messdaten Zeit einsparen. Früher mussten wir nämlich in einem zusätzlichen Schritt die zurückgelegten Wege noch einmal in Koordinaten umrechnen. Heute, mit MoveInspect HF, liegen die Daten automatisch bezogen auf ein rechtwinkeliges Koordinatensystem vor. Das beschleunigt die Auswertung enorm.“

Auch im Bereich der Datendichte übertrifft  MoveInspect HF die Erwartungen. Falko Bürkner bestätigt: „AICONs System ermittelt diverse Daten, die wir bislang mit den klassischen Seilzugpotenziometern nicht messen konnten, z. B. in Bezug auf die horizontale Auslenkung des Rotorblatts bei einem hauptsächlich vertikal belasteten Test. Diese höhere Datendichte ermöglicht eine noch bessere Beurteilung der Qualität des Rotorblatts.“


Funktionsweise und Konfiguration des MoveInspect HF beim IWES

Das System arbeitet mit hochauflösenden Digitalkameras, die auf das Messobjekt ausgerichtet werden. Im Falle des IWES benötigt man – aufgrund der Länge der Rotorblätter von bis zu 90 Metern – vier Kameras, die jeweils auf einem Stativ stehen und um das Rotorblatt positioniert werden. Auf diese Weise überblickt MoveInspect HF Bewegungen des kompletten Prüflings.

Zur Messung werden die zu beobachtenden Messstellen mit selbstklebenden Punktmarken signalisiert. Bei einem Rotorblatt ist beispielsweise die Wegmessung der Blattspitze von enormer Bedeutung, die naturgemäß besonders weitreichende Bewegungen aushalten muss. Bei Blättern, deren Auslenkung an der Blattspitze ± 10 Meter beträgt und welche mit 0,5 Hertz schwingen, kommt es an der Blattspitze zu Geschwindigkeiten von bis zu 32 Metern pro Sekunde.

Seit Anfang 2011 wird das System zur Rotorblattprüfung beim IWES eingesetzt und hat schon für eine Vielzahl unterschiedlicher Rotorblätter wichtige Informationen zur Analyse der Lebensdauer geliefert.