Dreidimensionales erforschen von jahrtausendealten keilschriften

Friedrich-Schiller-Universität - Deutschland

Cuneiform tablets originating from Mesopotamia

Im Jahr 1925 vermachte der deutsch-amerikanische Professor Hermann Vollrath Hilprecht (1859-1925) seine Sammlung altorientalistischer Objekte der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Der aus Sachsen-Anhalt stammende Gelehrte, der an zahlreichen Ausgrabungen wie z.B. in Nippur, einer der bedeutendsten Städte des Alten Mesopotamiens, mitwirkte, würdigte damit seine 1902 in Jena verstorbene Frau. Hilprechts Nachlass umfasste insgesamt 3.300 Keilschriften aus Mesopotamien. Das bekannteste Stück der Sammlung bildet der bislang älteste bekannte Stadtplan von Nippur aus der Mitte des 2. Jahrtausends vor Christus.


Zielsetzung und Messobjekt

Mitarbeiter der Jenaer Altorientalistik dokumentierten mit Hilfe eines AICON 3D Scanners des Max-Planck-Institutes für Wissenschaftsgeschichte (Berlin) die zahlreichen Keilschrifttafeln dreidimensional. Die größtenteils etwa 3.500 Jahre alten Schätze konnten so für wissenschaftliche Zwecke im Internet zugänglich gemacht werden. Plattform dafür ist die Cuneiform Digital Library Initiative, ein Joint Venture zwischen dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und der University of California at Los Angeles (UCLA), geleitet von Robert K. Englund (L.A.) und Peter Damerow (Berlin). 

„Aus den gewonnenen 3D Daten können später sogar detailgetreue Abgüsse der vermessenen Objekte hergestellt werden.“

Aufgrund ihres Alters und ihrer Geschichte sind die gefundenen Tafeln häufig beschädigt und schwer zu entziffern. Um die historischen Fundstücke zu schützen und einer breiteren Masse an Forschern zur Verfügung zu stellen, wurden sie mit Hilfe eine 3D Scanners digitalisiert. Die Keilschrifttafeln können so untersucht werden, ohne dass der Forscher das Objekt in die Hand nehmen oder gar zu dessen Standort reisen muss. Wenn erst einmal ausreichend dreidimensional eingescannte Tafeln zur Verfügung stehen, bietet sich zudem auch eine Plattform zum Vergleich verschiedener Tafeln und ihrer Eigenschaften.


Messsystem und Aufbau

Für die hochgenaue, schnelle Digitalisierung der Keilschrifttafeln verwendeten die Altorientalisten in Jena den AICON SmartScan des Max-Planck Instituts für Wissenschaftsgeschichte. Durch seinen modularen Aufbau mit Schwarz-weiß- oder Farbkameras in verschiedenen Auflösungen und Konfigurationen kann der auf Basis der Streifenprojektionstechnik arbeitende AICON SmartScan genau auf die Bedürfnisse der Kunden und ihrer Projekte abgestimmt werden.


Arbeitsablauf

Die Jenaer Altorientalisten verwendeten einen SmartScan mit zwei 5 Megapixel-Farbkameras und einem Messfeld der Größe 100 x 75 mm in Kombination mit einem Drehteller. Mit dessen Hilfe konnten die einzelnen Scans vollautomatisch aneinander ausgerichtet werden. Mit je sechs Aufnahmen der Vorder-und Rückseite wird eine flach auf dem Drehteller liegende Keilschrift erfasst; ergänzt werden diese Aufnahmen zudem durch zwei Scans der Plattenvorder- und Rückseite in frontaler Sensorausrichtung. 

Bei gut erhaltenen Tafeln reichten diese 14 Aufnahmen und ein Zeitrahmen von 20 Minuten aus, um einen vollständigen 3D Datensatz zu erzeugen. Nach einem anschließenden Post Processing, in welchem die Einzelscans bereinigt und zu einem Gesamt-Polygonnetz vereinigt werden, stehen die Keilschrifttafeln in den Standardformaten (STL, PLY, VRML) zur Weiterverarbeitung zur Verfügung.


Ergebnis

Mittels der berührungslos arbeitenden 3D Messtechnik des AICON SmartScan werden Keilschrifttafeln präzise und schnell dreidimensional erfasst. Die gewonnenen Daten stehen einem breiten Forscherkreis äußerst anschaulich zur ausführlichen Untersuchung und Interpretation zur Verfügung. 

Die vielseitigen Anforderungen dieser Arbeit macht Professor Dr. Krebernik vom Lehrstuhl für Altorientalistik in Jena deutlich: „Die Tontafeln haben eine ausgeprägte räumliche Struktur, viele von ihnen sind beidseitig beschrieben oder liegen in einzelnen Fragmenten vor.“ All dies lasse sich in einem 3D Scan abbilden und archivieren. „Aus den gewonnenen 3D Daten können später sogar detailgetreue Abgüsse der vermessenen Objekte hergestellt werden“, so Prof. Dr. Krebernik.

 
Wir bedanken uns bei den Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte Berlin und des Fördervereins Altorientalistik und Hilprecht-Sammlung Jena e.V. für die freundliche Bereitstellung des Informations- und Bildmaterials zur Erstellung dieses Anwenderberichts.

Literatur / Links

  • Doris Marszk (2009): Jahrtausendealte Keilschrifttafeln bald in 3D. In: Wissenschaft Aktuell, 13.09.2009 
  • Jörg Kantel, Peter Damerow, Sarah Köhler, Christina Tsouparopoulou (2009): 3D-Scans von Keilschriften. Ein Werkstattbericht. In: GWDG-Bericht Nr. 76, 26. DV-Treffen der Max-Planck-Institute: 41-62. 
  • Friedrich-Schiller-Universität Jena, Hilprecht-Sammlung.