Neue Wege in der messtechnikgestützten Montage

von Andreas Rietdorf

Neue Wege in der messtechnikgestützten Montage

In den letzten Jahren hatte ich das Glück, an einem sehr interessanten Projekt mit dem großen Windenergieanbieter Siemens Gamesa teilzunehmen. Es ging dabei darum, eine Lösung für die Messung und Ausrichtung der großen in den Windkraftanlagen verwendeten Statoren zu finden, die das Unternehmen in seinem Werk in Cuxhaven in Norddeutschland herstellt. 

Das Projekt startete mit der Beteiligung von Marius Fürst-Sylvester, Kalibrierungsingenieur im Offshore Operations Team am Standort Cuxhaven. Marius ist seit etwa 2017 bei Siemens Gamesa, doch konne er bereits zuvor Erfahrungen in industrieller Messtechnik sammeln. Er verfügt über langjährige Erfahrung in der Photogrammetrie sowie mit Scan-Systemen mit strukturiertem Licht; insbesondere kennt er sich mit den Photogrammetrie-Lösungen der DPA-Serie von Hexagon bestens aus. 

Marius war, nachdem er Teil des Teams geworden war, maßgeblich an der Umstellung des Standorts von Siemens Gamesa in Cuxhaven auf unsere Photogrammetrie-Technologie der DPA-Serie beteiligt, und zwar aufgrund seiner Expertise und seiner guten Beziehungen zu den Mitarbeitern von Hexagon. Die Einführung der Hexagon Photogrammetrie-Technologie in Cuxhaven hat dazu geführt, dass unser Team sowohl mit dem Standort, als auch mit dem Projektteam und den für sie wichtigen Anwendungen sehr vertraut ist.

Dieses Projekts entstand also 2018, als Marius eine Idee hatte und mich anrief. Er kam direkt zur Sache und sagte mir, dass er ein dynamisches Messsystem in Kombination mit einem absoluten Messgerät benötige, um diese riesigen Statoren während der Installation zu messen und korrekt auszurichten. Ich kannte das System, mit dem sie aktuell arbeiteten, nämlich zwei mobile Photogrammetriesysteme aus unserer DPA-Serie, und er erklärte mir, dass dieses Prüfverfahren extrem langsam und mit vielen Möglichkeiten für Bedienerfehler behaftet sei.

Sein Ziel war es, auf den positiven Aspekten des bestehenden Photogrammetriesystems aufzubauen und ein Koordinatensystem zur Erleichterung der Ausrichtung sowie ein automatisiertes Element zur weiteren Verbesserung der Produktivität einzuführen. Obwohl diese ganze Idee etwas unkonventionell war, schien es mir, dass ein Laser Tracker in diesem Kontext die naheliegende Technologie wäre, die man irgendwie in dieses System einbauen könnte, um die absolute Positionierungskomponente zu liefern. Jedoch hatten wir bei Hexagon so etwas noch nie gemacht, und es gab auch keine Pläne, ein solches System innerhalb des Unternehmens zu entwickeln.

Ich brachte Marius daher in Kontakt mit unserem Entwicklungsteam, um die Möglichkeit weiter zu erörtern. Um ehrlich zu sein, erwartete ich nicht, dass ich in den nächsten Monaten oder überhaupt noch etwas von diesem "Projekt" hören würde. Doch einen Tag später erhielt ich einen weiteren Anruf, diesmal von meinem Kollegen Timo Dillemuth aus dem Produktmanagement bzw. der Geschäftsentwicklung. Er hatte bereits mit Marius von Siemens Gamesa gesprochen und war von der Idee sehr angetan. Sie passte gut zu unserem Plan, messtechnisch unterstützte Montagetechnologien zu entwickeln, und das Unternehmen wusste von der Einführung eines Konkurrenzprodukts für ähnliche Anwendungen, das ohne eine Laser Tracker-Komponente auskam. All dies bedeutete, dass wir das OK hatten, um uns Gedanken über die Umsetzung eines solchen Systems zu machen.

Ursprünglich hatten wir die Idee, zwei MoveInspect XR8-Systeme zu kombinieren, vielleicht mit einer Schiene, um einige Objekte dahinter zu platzieren und diese mit einem Laser Tracker zu verfolgen. Doch passten die Abmessungen des Stators nicht in das Sichtfeld des XR8-Systems – wir brauchten also etwas Größeres. 

In den letzten fünf oder sechs Jahren hatten wir in Deutschland mehrere Photogrammetriesysteme für die Luft- und Raumfahrtindustrie entwickelt, bei denen Kameras auf einem speziell angefertigten Rahmen aus kohlenstofffaserverstärktem Kunststoff (CFK) montiert waren. Dies schien die perfekte Lösung zu sein – dank der maßgeschneiderten Rahmengröße könnten wir ein System mit dem größeren Sichtfeld zu bauen, welches dem Bedarf von Siemens Gamesa entsprach. Denn wir wussten bereits, dass die CFK-Konstruktion die erforderliche Steifigkeit bieten würde, um die Zuverlässigkeit auch für diese Größe zu gewährleisten.

Diese groben Ideen nahmen wir zu einem Kickoff-Meeting im Juni 2019 in Cuxhaven mit. Ich bereitete einige Folien, die damals nicht mehr als eine Idee enthielten, zusammen mit einer sehr einfachen Skizze vor, die ich gerade auf meinem Tablet gezeichnet hatte. Und diese Idee war, mit einigen Änderungen, im Wesentlichen das System, das wir schließlich herstellten: dabei rotiert der Stator vor einem festen Rahmen, der mit Kameras und einem Tracker bestückt ist, um die Messungen innerhalb eines Koordinatensystems auszurichten. Dieses wird durch eine Konstellation montierter Weitwinkelreflektoren geschaffen – eine hybride Technologielösung, von der wir glauben, dass sie die erste ihrer Art ist. Weitere Einzelheiten über das Projekt können Sie hier nachlesen.

Und so fing es an – sechs Monate später wurde das Projekt vereinbart und wir begannen mit der Entwicklung unserer Prototypen. Nun schreiben wir das Jahr 2021, und trotz aller Turbulenzen des letzten Jahres ist das fertige System in Cuxhaven installiert und mit bisher sehr positiven Ergebnissen in Betrieb.

Meiner Meinung nach waren die starken und positiven Beziehungen zwischen den Teams hier bei Hexagon und bei Siemens Gamesa in Cuxhaven ausschlaggebend dafür, dass dieses Projekt zu einem Erfolg wurde. Genauso wichtig war es, dass Marius die Vorteile des Systems auf Grundlage der Photogrammetrie sehr gut verstanden hat und genau wusste, was wir mit unserer Technologie machen konnten und was nicht.

Nun haben wir ein wirklich tolles System. Die Photogrammetrie-Technologie in Kombination mit dem Laser Tracker bildet ein perfektes Messsystem für diese Art von Anwendung. Wir können damit mehrere Punkte gleichzeitig messen, so dass wir diese großen, flexiblen Statorbauteile innerhalb des globalen Koordinatenreferenzsystems, das durch den Tracker und die Reflektoren bereitgestellt wird, perfekt ausrichten können.