Testbasierte Simulation für AVAS-Lautsprecher
Wenlong Yang, Sr. Noise and Vibration Engineer, General Motors Corporation Thanos Poulos, Product Marketing Manager, Hexagon, Manufacturing Intelligence Division
Engineering REALITY 2024 Ausgabe 1
Accelerate Smart Manufacturing
General Motors entwickelt mithilfe von Actran einen einfaches, realitätsgetreues AVAS-Lautsprechermodell
Mit der Elektrifizierung beginnt für Automobilhersteller eine neue Ära, auch für den Automobilgiganten General Motors (GM), der weltweit Millionen von Fahrzeugen verkauft. Da sich die neue Powertrain-Architektur auf grundlegende Aspekte des Fahrzeugs auswirkt, bedarf es im Hinblick auf die besonderen Eigenschaften von Elektrofahrzeugen der Entwicklung zusätzlicher Systeme bzw. Systemaufgaben.
So bemerken Fußgänger und andere Verkehrsteilnehmer aufgrund fehlender Motorengeräusche herannahende Elektrofahrzeuge oft sehr spät, was zu einem Sicherheitrisiko führt. Die Europäische Union schreibt daher den Einsatz von Soundsystemen vor, die Verkehrsteilnehmer auf geräuscharme Elektrofahrzeuge aufmerksam machen sollen.
Diese Vorgabe erfüllen Akustische Warnsysteme für Elektrofahrzeuge (AVAS Acoustic Vehicle Alerting System), die ortsabhängig einen entsprechenden Sound mit einer geeigneten Richtcharakteristik erzeugen.
AVAS-Systeme verfügen über Lautsprecher, die hauptsächlich vorne am Fahrzeug angebracht sind. Um entsprechende Zulassungsverfahren zu bestehen, werden bei der Entwicklung von Lautsprechern Simulationen genutzt. So lassen sich ganz ohne den Einsatz von Prototypen schnelle Ergebnisse erzielen.
In der Regel sind die Lautsprecher mit einem Durchmesser von ca. 100 mm eher klein und weisen sehr aufwändige Gittermuster auf. Aufgrund der für den typischerweise hohen Frequenzbereich von 3,5 kHz erforderlichen Rechenressourcen gestaltet sich der Einsatz komplexer Modelle bei der Leistungsbewertung der Lautsprecher als Teil des Fahrzeuges schwierig. Deshalb werden generische Schallquellen wie beispielsweise Monopole verwendet, die den Lautsprecher als Teil des Fahrzeugmodells ersetzen und eine dem eigentlichen Lautsprecher gleichwertige abgestrahlte Schallleistung erzeugen. Jedoch erzeugt der Lautsprecher ein Schallfeld mit eindeutiger Richtcharakteristik, die sich mit einem akustischen Monopol nicht präzise abbilden lässt.
Wenlong Yang, Sr., der verantwortliche Noise and Vibration Engineer bei General Motors erläutert: „Im Rahmen dieses Projekts entwickeln wir eine Methodik, welche die akustische Richtcharakterisitik eines AVAS-Lautsprechers in einem Gesamtfahrzeugmodell berücksichtigt, sowie ein virtuelles Lautsprechermodell, dessen Klangeigenschaften die des physischen Lautsprechers exakt abbilden.“
Prinzip "Right First Time"
Die vorgeschlagene Methodik und der Prozess lassen sich in 6 Schritte unterteilen:
- Erzeugen numerischer Ergebnisse als Entscheidungsgrundlage für den Testaufbau
- Lautsprechertests zum Erfassen der Schalldruckpegel an den Mikrofonen
- Extrahieren der vereinfachten Oberflächenschwingung des Lautsprechers zur Integration in das Gesamtfahrzeugmodell
- Verwenden der Testdaten zur Validierung des numerischen Modells
- Integration des Lautsprechers in ein Gesamtfahrzeugmodell
Erzeugen numerischer Daten als Gundlage für Testentscheidungen
Für die Extraktion der Oberflächenschwingung wird die inverse 'Pellicular Analysis' in Actran verwendet, um ein Schwingungsmuster auf Grundlage der Messergebnisse mehrerer Mikrofone zu identifizieren. Für ein präzises Schwingungsmuster und die vollständige Darstellung des mit zunehmender Frequenz komplexer werdenden Klangmusters im Fernfeld ist eine ausreichende Anzahl von Mikrofonen erforderlich. General Motors führte zahlreiche virtuelle Tests durch, mit einer Mikrofonanzahl von 38 bis hin zu 371 Mikrofonen.
Dabei stellte sich heraus, dass sich die Schallabstrahlung mit 76 Mikrofonen in einem Meter Entfernung bei 3 kHz zwar darstellen ließ, jedoch aufgrund der variablen Bedingungen der physischen Tests eine Robustheitsstudie erforderlich war. Yang erläutert: "Bei realen Tests treten immer Messfehler auf. Sowohl beim Messen der Mikrofonpositionen als auch des Schalldrucks an jedem Mikrofon, einschließlich Stärke und Phase, können Ungenauigkeiten auftreten. Um zu prüfen, wie diese Fehler entstehen, haben wir die Eingabedaten künstlich gestört." Und zwar einfach per Simulation.
Drei Einflussfaktoren wurden bewertet: die Mikrofonposition, die Stärke und Phase des Schalldruckes. Das Ergebnis zeigte, dass 76 Mikrofone die Schallabstrahlung an einem bestimmten Ort und unter bestimmten Bedingungen zwar gut abbildeten, sie aber nicht die für physische Tests erforderliche Robustheit gewährleisteten. Für den nächsten Schritt, die physische Testphase, waren ca. 300 Mikrofone erforderlich.
Physische Tests und Validierung
Die Tests wurden in der Versuchsanlage von GM durchgeführt. Der Lautsprecher wurde in der Mitte eines Mikrofon-Arrays platziert und die Messergebnisse mit der Simulation an verschiedenen Mikrofonpositionen sowie hinsichtlich der abgestrahlten Schallleistung verglichen.
Insgesamt lässt sich für alle Mikrofone eine hohe Korrelation zwischen den Messungen und der Simulation erzielen, mit geringen Abweichungen bei niedrigeren Frequenzen, welche bei höheren Frequenzen leicht zunehmen, jedoch ohne die Gesamtqualität der Simulation zu beeinträchtigen. Abbildung 6 zeigt ein Beispiel für den Schalldruckpegel eines ausgewählten Mikrofons.
Nach der Validierung lassen sich auf Grundlage der physischen Messungen Oberflächenschwingungen mithilfe der inversen 'Pellicular Analysis' extrahieren. Dies lässt sich dann in die Gesamtfahrzeugmodell-Simulation integrieren. Das Lautsprechermodell wird dabei durch diese äquivalente Randbedingung ersetzt.
Integration des virtuellen Lautsprechers in das Gesamtfahrzeug
Zur Bewertung der Leistung des Lautsprechers als Teil des Gesamtsystems wurde die extrahierte Oberflächenschwingung als Randbedingung für die Beschleunigung in das Gesamtfahrzeugmodell integriert. Die Ergebnisse wurden an den Positionen von drei Messmikrofonen bewertet, wo die akustische Übertragungsfunktion berechnet wurde. Die akustische Übertragungsfunktion ist definiert als die Freifeld-Leistung abzüglich des Schalldruckpegels am Mikrofon.