Mit Hexagon nach den Sternen greifen

Mit hochmodernen Messlösungen die Geheimnisse des Universums entschlüsseln.

Das 1995 gegründete Centre de Recherche Astrophysique de Lyon (CRAL) ist ein Zentrum für Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Astrophysik sowie die Entwicklung von Instrumenten für bedeutende Observatorien. Die Optiker, Mechaniker, Projektleiter, Informatiker und Elektroingenieure des CRAL entwerfen und bauen Spektrographen für riesige Teleskope in der ganzen Welt. Das Zentrum untersteht drei Aufsichtsbehörden: der Universität von Lyon, dem Nationalen Zentrum für Wissenschaftliche Forschung (CNRS) sowie der Ecole Normale Supérieure (ENS) in Lyon.

Wenn Astrophysiker weit entfernte Galaxien erforschen, deren chemische Zusammensetzung analysieren oder Exoplaneten suchen, ist ein herkömmliches Teleskop nicht mehr ausreichend. Es wird ein zusätzliches “Smart Eye” benötigt. Um beispielsweise das Licht junger Galaxien zu erkennen, muss das charakteristische Linienspektrum des Wasserstoffatoms isoliert werden. Dazu ist ein Spektrograph notwendig, mit dem sich das Licht für weiterführende Analysen in die Wellenlängen seiner Bestandteile zerlegen lässt.

CRAL-Spectograpg

Innovative technische Kombinationen

Eine solche Aufgabe setzt auch die genaue Kenntnis der Objektposition voraus. Aus diesem Grund konzipierte das CRAL den integralen Feldspektrographen oder auch 3D-Spektrographen: eine Kombination aus Bildgeber und Spektrograph. Erteilen internationale Forschungsinstitute den Zuschlag für ein solches Gerät, überwacht die Instrumentenabteilung von CRAL in enger Zusammenarbeit mit dem Forscherteam die anforderungsgerechte Fertigung der Komponenten.

Florence Laurent, Ingenieurin für optisches Design und Teamleiterin Instrumente bei CRAL, erläutert: „Wenn das vom Teleskop eingefangene Licht die Schichten der Atmosphäre durchdringt, unterliegen die Photonen erkennbaren Störungen. Noch vor wenigen Jahren hatten die erfassten Bilder eine von Natur aus schlechtere Qualität – daher mussten die Instrumente nicht so präzise sein. Seit den 2000er Jahren korrigieren jedoch adaptive optische Systeme atmosphärische Störungen in Echtzeit, sodass wesentlich feinkörnigere, höher aufgelöste Bilder entstehen. Also mussten die Ingenieure immer präziser ausgerichtete Instrumente konstruieren, was geeignete und effiziente Messgeräte erfordert.

Unser erstes Messgerät war ein ROMER-Sigma-Messarm, gefolgt von einem 3D-TESA-Sensor im Jahr 2008 für das MUSE -Projekt1. Der Messarm kam zur Anwendung, um Objekte zueinander auszurichten und kleinere Systeme zu vermessen. Der TESA-Sensor übernahm hier die Überprüfung mechanischer Halterungen, die auf 10 Mikrometer Genauigkeit bearbeitet wurden. Allerdings verlangte allein schon die Größe des vollständig montierten Instruments – das größte je an einem Teleskop installierte – ein deutlich größeres Messgerät.

CRAL_on-site-in-Chile

Laser Tracker für größere Abmessungen

"Unsere Kollegen beim Institut für Astrophysik in Göttingen überließen uns leihweise ihren Laser Tracker von Hexagon. So konnten wir sowohl beim CRAL als auch direkt auf der Plattform des Teleskops vor Ort in Chile mit einem Leica Absolute Tracker die korrekte Positionierung des Instruments zum Teleskop sicherstellen”, erinnert sich Laurent.

Derzeit arbeitet das CRAL als Teil eines Konsortiums aus 13 europäischen Instituten unter Leitung des Leibniz-Institutes für Astrophysik Potsdam am 4MOST-Projekt. Der Multi-Objekt-Spektrograph 4MOST wird für das VISTA-Teleskop der Europäischen Südsternwarte (ESO) in der Atacamawüste in Chile gefertigt.

Der Spektrograph zerlegt das von Sternen oder Galaxien ausgesandte Licht in die Wellenlängen seiner Bestandteile und kann die chemischen sowie kinematischen Substrukturen im stellaren Halo, die Wölbung sowie dünne und dicke Schichten der Milchstraße erkennen. Damit wird er zur Lösung des Rätsels um den Ursprung der Galaxie beitragen. Das 4MOST-Projekt befindet sich momentan in der Aufbauphase. Die ersten wissenschaftlichen Arbeiten sind für 2022 geplant.

Das umfassende Komplettangebot an Geräten und Lösungen von Hexagon ist unerlässlich für unsere Forschung.Das CRAL ist für die Konstruktion der zwei niedrigauflösenden Spektrographen des 4MOST-Instruments verantwortlich. Es wird nach dem Bereitstellen der wissenschaftlichen Anforderungen innerhalb der ersten zwei Jahre zunächst das Konzept bewerten. Dazu entwirft das Institut vorbereitend unter anderem optische, mechanische und elektronische Zeichnungen. Für den Abschluss der finalen Planung sind zwei weitere Jahre vorgesehen. Nach der Freigabe wird das Team dann die Optik und Mechanik herstellen lassen. Alle beauftragten Bauteile werden in Lyon zusammengeführt, montiert und ausgerichtet. Eine der zentralen Aufgaben ist das Positionieren der Spiegel im Bezug zu den Schnittstellen. Die Ausrichtung muss bei einigen Komponenten hochgradig präzise – im 10-Mikrometer-Bereich – sein.

CRAL_Arm-Measurement

Hohe Genauigkeiten einfach erreichen

"Eine messtechnische Gesamtlösung – kombiniert aus einem Messarm und einem Laser Tracker – lieferte uns die optimale Voraussetzung mit der entsprechend hohen notwendigen Flexibilität. Dank der Finanzierung durch das LABEX Lyon Institute of Origins2 (LIO) erhielten wir die erforderlichen Geräte . Wir ersetzten unseren älteren Messarm durch einen neuen Absolute Arm und erwarben zusätzlich einen Leica Absolute Tracker AT403.

Unsere Messgeräte waren sofort einsatzbereit, sodass wir zügig mit unseren Aufgaben starten konnten. Die erforderlichen Toleranzen lagen im Rahmen der Spezifikationen: die Genauigkeit von 11,5 Mikrometern des Absolute Arm der 85er Reihe entsprechen exakt unseren Anforderungen. Dank seiner ausgewogenen Ergonomie ist der neue Arm äußerst angenehm in der Bedienung: Er ist besonders gut ausbalanciert und wir erreichen damit mühelos alle Messstellen. Die USB-Anschlüsse und die WiFi-Verbindung sorgen für noch mehr Komfort.“ 

"Ein weiterer großer Vorteil ist der hochgradig visuelle Import von CAD-Dateien mithilfe des SpatialAnalyzer, der zudem schnell und einfach übersichtliche Berichte liefert. Die zahlreichen Optionen bei der Einrichtung des neuen Arms stellten sich ebenfalls als sehr nützlich heraus. Fünf Mitarbeiter wurden in zwei Schulungseinheiten unterwiesen, währenddessen wir den Arm bereits nutzen konnten. So erhielten wir direkt konkrete Antworten auf unsere gezielten Fragen.“

Moderne Herausforderungen verlangen moderne Lösungen

CRAL_Measurement-SetupDas CRAL-Technikteam ist auch beteiligt an der Untersuchung zum HARMONI-Instrument im Rahmen des Projekts Extremely Large Telescope3 (ELT) . Dieses Instrument sieht innerhalb des Infrarot-Bereiches „alles was strahlt“. Um auszuschließen, dass bei der Erforschung von Galaxien lediglich die Reflektion der Mechanik und Optik des Instruments zu sehen ist, muss die Instrumententemperatur auf 130 Kelvin – minus 143 °Celsius – gesenkt werden. Die Reduzierung der Temperatur muss in mehreren Schritten erfolgen. In einem ersten Schritt gilt es, ein Vakuum zu erzeugen, um Einfrierungen zu vermeiden. Dazu wird das Instrument in einem Kryostaten platziert, der metrologische Messungen vornimmt, die für herkömmliche Messinstrumente technisch hochkomplex sind (rechtwinklige Ausrichtung des Lasers, Koeffizientenparameter zur Kompensierung der Fensterdeformation etc.). 

Um diese Probleme mit herkömmlichen Messgeräten zu vermeiden, entschied sich das CRAL für die Photogrammetrie und entwickelte ein spezielles Periskop. Bei der Entwicklung kam ein Gerät der DPA-Serie zum Einsatz, das vom Technikteam individuell angepasst wurde. 

"Mit jedem neuen Projekt können wir unsere Messabläufe verbessern und die Geräte effizienter bedienen. Dank der Mobilität des Laser Trackers tauschen wir uns unter anderem direkt mit unseren Lieferanten aus. Unsere Kombination aus Absolute Arm und Laser Tracker ist bald einsatzbereit. Das bietet uns beispielsweise beim Einrichten der Arm- Referenzen deutliche Zeitersparnisse", erklärt Laurent.  


1 MUSE (Multi-Unit Spectroscopic Explorer) ist ein Weitwinkel-3D-Spektrograph der zweiten Generation. Er wurde für das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) entwickelt und arbeitet im sichtbaren Wellenlängenbereich. Für die dreidimensionale Weltraumerkundung (Standort und Entfernung) sowie die Entdeckung der jüngsten Galaxien konzipiert, kam er am 31. Januar 2014 erstmals beim VLT zum Einsatz.

2 Die Autoren danken dem LABEX Lyon Institute of Origins (ANR-10-LABX-0066) der Université de Lyon für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Förderprogramms “Investissements d’Avenir” (ANR-11-IDEX-0007) der französischen Regierung unter der Leitung der Nationalen Forschungsagentur ANR. 

3 Als eines von drei extrem großen Teleskopen befindet sich das terrestrische European Giant Telescope (Extrem Großes Teleskop) aktuell im Aufbau und soll 2025 in Betrieb genommen werden. Mit einem Hauptspiegel von 39 Metern Durchmesser bietet das von der ESO konstruierte Teleskop bedeutende Fortschritte auf dem Gebiet der Astronomie.