Präzisionsprüfung des European Extremely Large Telescope (E-ELT)

Cranfield University - UK

Die mit der Herstellung und Qualitätsprüfung der Spiegelelemente für das Teleskop verbundenen Herausforderungen sind enorm. Bei der Universität Cranfield handelt es sich um die einzige Einrichtung in Großbritannien, die zur Fertigung der Spiegelelemente mit der erforderlichen Genauigkeit in der Lage ist. Das Schleifund Messsystem BoX (Big OptiX) wurde an der Universität Cranfield eigens zur Herstellung dieser Spiegel entwickelt. 

Im von Hexagon Metrology unterstützten Loxham-Präzisionslabor der Universität befindet sich ein Koordinatenmessgerät (KMG) der Baureihe Leitz PMM-F 30.20.10. Dieses ultrahochgenaue Messsystem dient zur Messung der Spiegelelemente und damit zur Kontrolle der Arbeit des BoXSchleifsystems.

Professor Paul Shore, Leiter des Bereichs Precision Engineering der Universität Cranfield, erklärt: „Unsere BoX ist ein hochgenaues Schleif- und Messsystem, das hier in Cranfield entwickelt wurde. Es schleift die Teile und nimmt einige Inprozesskontrollen vor. Das Leitz PMM-F wird dann genutzt, um die Schleifprozesse und Messungen der Cranfield BoX zu bestätigen.“

Genauer als genau

Nach der Fertigung bei Cranfield werden die Spiegel an das Technium OpTIC (Optoelectronics Technology and Incubation Centre) in Nordwales geschickt, wo sie poliert und von dort ansässigen Wissenschaftlern der drei Universitäten Cranfield, University College London und Glyndwr erneut vermessen werden. Poliert wird anhand der mit dem Leitz PMM-F erstellten Oberflächenfehlerkarten, aus denen sich zu hohe und zu niedrige Stellen für erste Polierkorrekturen ablesen lassen. Der polierte Spiegel muss eine Rauheit von 1-2 Nanometern RMS und eine Maßgenauigkeit von 10 Nanometern RMS aufweisen. 

Zur Überprüfung dieser extremen Oberflä- chengenauigkeiten wurde bei OpTIC ein 8 m hoher Prüfturm entwickelt und gebaut. Dieser Prüfturm befindet sich über der Poliermaschine und nutzt Laserinterferometrie-Verfahren zur Erzeugung einer optischen Wellenfront, die der geforderten Oberfläche des Spiegelelements entspricht. Aus der gemessenen Differenz zwischen der tatsächlichen Spiegeloberfläche und der gewünschten optischen Oberflächenform der kugelförmigen Wellenfront wird eine Oberflächenfehlerkarte erstellt. Diese Fehlerkarte dient zur Generierung einer Werkzeugbahn für die Poliermaschine, die die Spiegeloberfläche anschließend adaptiv bearbeitet, um die gewünschte Maßgenauigkeit von 10 Nanometern RMS zu erzielen. 

Für die exakte Ausrichtung des optischen Prüfturms sorgt ein Leica Absolute Tracker AT901. Das Laser Tracker System überwacht die Position der Hauptoptik des Prüfturms während der Messungen und erfasst mögliche Bewegungen, die durch thermische Einflüsse entstehen. Sie können aufgrund der Größe der Struktur mehrere Mikrometer betragen.

Geplante Weiterentwicklungen

Zur weiteren Beschleunigung und Verbesserung des Vorgangs experimentiert das Team um Paul Shore mit einem robotergesteuerten Läppsystem. „Dieser einfache automatisierte Vorgang stellt eine mögliche Zwischenstufe zwischen Schleifen und Polieren dar. Er könnte zur Vermeidung von Engpässen in einer späteren Phase der Spiegelherstellung nützlich sein“, erläutert Paul Shore. „Mit der Unterstützung der Ingenieure von Hexagon Metrology arbeitet das Team in Cranfield an einer Konfiguration mit einem Standard-5-AchsRoboter von Fanuc, der mit einer Schlichtspindel ausgerüstet ist.” 

Ein mobiler Leica Absolute Tracker AT901-LR mit großem Messvolumen diente zur Überprüfung der Bewegungsgenauigkeit des Robotersystems bei der Bearbeitung der Spiegeloberfläche mit der Spindel. Ein wichtiger Forschungsbereich ist die thermische Stabilität und dimensionale Bewegung von Robotern über längere Zeiträume. Der in Cranfield tätige Wissenschaftler Andy Eve beschreibt das Verfahren: „Der Leica Absolute Tracker AT901 kann zur Messung der x-, y- und z-Koordinate eines Punktes mit Hilfe eines Reflektors oder in 6 Freiheitsgraden durch die Erfassung des Nick-, Gier- und Rollwinkels des Trackersteuerungssensors Leica T-Mac eingesetzt werden. Wir wollen außerdem herausfinden, welche Temperaturänderung sich beim Roboter während der Läppvorgänge einstellt. Dabei geht es uns vor allem um wiederholbare Ergebnisse, damit wir Kompensationsverfahren für den entsprechenden Fehler entwickeln können. Das ist ein wichtiges Forschungsprojekt, weil es für unser E-ELT-SpiegelProgramm einen erheblichen Mehrwert darstellen könnte.“

Wettbewerbsvorteil

Die Europäische Südsternwarte hat zwei Anbieter mit der Herstellung von je sieben Spiegelelement-Prototypen beauftragt. Einer davon ist ein britisches Konsortium, an dessen Spitze OpTIC Glyndwr in Nordwales steht, das eng mit der Universität Cranfield zusammenarbeitet. Nach der Abnahme der Prototypen wird eine noch namenlose britische Herstellerfirma ein Angebot für ein Produktionsvolumen von insgesamt ca. 1.000 Spiegelelementen unterbreiten. Wie stehen die Chancen, dass der Auftrag – oder zumindest ein Teil davon – an das britische Konsortium geht? Im Juli 2010 besichtigte ein Team der Europäischen Südsternwarte die BoX und das Leitz PMM-F in Cranfield. 

„Unsere Besucher haben sich vor allem dafür interessiert, wie wir das KMG einsetzen und die Messdaten nutzen. Eine von uns entwickelte Software erlaubt die Erstellung „synthetischer Interferogramme“ mit Hilfe des Leitz PMM-F. Wir glauben, dass die Vertreter der Europäischen Südsternwarte mit unseren technischen Verfahren und den vorgelegten Daten zufrieden sind“, so Paul Shore. „Offen sind nur noch fertigungstechnische Aspekte. Wenn wir noch einige Verbesserungen am Produktionsprozess vornehmen, wird die Cranfield BoX in der Lage sein, innerhalb von 20 Stunden ein Spiegelelement zu schleifen. Unseres Wissens nach sind wir damit zehnmal so schnell wie unsere Mitbewerber. Wir gehen davon aus, schon bald den Auftrag zur Fertigung weiterer Elemente zu erhalten.“