Die Wasserspeier des Freiburger Münsters

Freiburger Münsters - Deutschland

Die Redewendung „In Stein gemeißelt“ steht für ewig und unzerstörbar, doch dies trifft auf den einzigartigen Bauschmuck des Freiburger Münsters leider nicht zu. Tatsächlich nagt ein ganz realer Zahn der Zeit vor allem am äußeren Steinwerk: Verwitterung und zunehmende Luftverschmutzung setzen den vielgestaltigen Reliefs und Skulpturen stark zu und verwandeln das mittelalterliche Bauwerk in eine umfangreiche Dauerbaustelle. 

Seit 1890 ist der Münsterbauverein für die steinerne Hülle und die Bauunterhaltung des Freiburger Münsters verantwortlich. Dazu betreibt er die über 800 Jahre alte Münsterbauhütte, in der Steinmetze und Steinbildhauer mit traditionellem Handwerk das einmalige Gebäude pflegen und erhalten. Darüber hinaus leisten die vielseitigen 3D Daten des SmartScan ihren ganz eigenen Beitrag zum Erhalt des Kirchenmonuments.


Zielsetzung und Messobjekt

Der Freiburger Münsterbauverein verfügt über einen besonderen Schatz: Seine Sammlung von über 4000 Kopien von Skulpturen und Bauteilen des Freiburger Münsters ist sowohl für Restaurationsarbeiten als auch für wissenschaftliche Dokumentationen von unschätzbarem Wert. Zu Beginn der heute so umfangreichen Gipssammlung des Münsterbauvereins dachte noch niemand an Fotografien oder dreidimensionale Scandaten. Und selbst heute nutzen die Steinmetze noch dieses Formarchiv, um beschädigte Formen zu rekonstruieren. 

Unter den zahlreichen Gipsabgüssen befindet sich auch ein Wasserspeier, der unter den Namen Maulaufreißer, Akrobat und Zanner bekannt ist. Seine 3D Scandaten sollen die Arbeit des Münsterbauvereins auf besondere Weise unterstützen — für Souvenirs aus unterschiedlichen Materialien.


Messsystem und Aufbau

Für die dreidimensionale Erfassung des Maulaufreißers kommt der SmartScan mit einer Messfeldgröße von 600 mm und einer Kameraauflösung von 2 Megapixeln zum Einsatz. Dieser Scanner ist speziell für die hohen Ansprüche bei der 3D Datenerfassung von Kunstgegenständen und Kulturgütern konzipiert, da es nicht nur hochauflösende, präzise 3D Modelle erzeugt, sondern auch das Texturieren der Objektoberfläche mit Echtfarben erlaubt. 

Dank ihres modularen Aufbaus lassen sich die Kameras (Farbe oder Schwarz-Weiß) und Messfelder der SmartScan Systeme individuell auf die Vorgaben des Kundenprojekts abstimmen. In dem hier vorgestellten Projekt wurde der Scanner um den Maulaufreißer bewegt, um diesen von allen Seiten zu erfassen. Alternativ lässt sich zur teilweise automatisierten Erfassung der Drehteller TurnTable-300 verwenden: Er ist speziell auf schwergewichtige Scanobjekte wie z. B. einen Wasserspeier mit 250 kg ausgerichtet.


Arbeitsablauf

Zuerst erfasst der SmartScan den Wasserspeier von allen Seiten. Dank der flexiblen Sensorkonfiguration, durch die Scanprozesse mit Triangulationswinkeln von 30°, 20° und 10° gleichzeitig durchführbar sind, lassen sich selbst schwer zugängliche Objektbereiche schnell und präzise scannen. 

Die AICON Software OptoCat richtet die Einzelaufnahmen anhand der Kontur des Wasserspeiers aneinander aus und verbindet sie zu einem einheitlichen Dreiecksnetz. Dieser 3D Datensatz lässt sich anschließend in der gewünschten Größe für die Weiterverarbeitung aufbereiten, z. B. für den Modellbau — oder im vorliegenden Projekt sogar für die Herstellung von individuellem Silberschmuck.


Ergebnis

Mit den 3D Daten des SmartScan lässt sich ein modernes Archiv aus digitalisierten Skulpturen und Bauteilen erstellen. Damit erweitern sich Möglichkeiten rund um Original oder Gipskopien: Die dritte Dimension einer Figur oder eines Reliefs bietet eine detaillierte Grundlage für wissenschaftliche Analysen und Dokumentationen; darüber hinaus unterstützen die Daten bei der professionellen Restaurierung oder Rekonstruktion. 

Das virtuelle Abbild des Wasserspeiers ist beliebig skalierbar und dient als Basis für Modell- und Formenbau oder Rapid Prototyping. Aus der digitalen Vorlage lassen sich mithilfe von Fräsvorlagen, Gussformen oder 3D Druckern originalgetreue Kopien in jeder gewünschten Größe erstellen. Diese Replikate sind vielseitig einsetzbar, z. B. im Ausstellungswesen, in Lehrsammlungen oder als Andenken. 

Der Freiburger Münsterbauverein nutzt die SmartScan Daten des Maulaufreißers, um 1:1-Abgüsse aus Beton, kleinere Abgüsse aus Steinersatzmasse und Schmuckfiguren aus Silber anzufertigen. Der Maulaufreißer spendet sein ‚Gehalt‘ für einen guten Zweck: Alle Verkaufserlöse fließen zurück in den Erhalt des Freiburger Münsters.

 
Wir bedanken uns bei Frau Zebura vom Freiburger Münsterbauverein e.V. und Herrn Graf von der Firma Birkenmeier für die Informationen sowie das Bildmaterial zu diesem Projekt.