Digitalisierung von Radprofilmessungen im Schienengüterverkehr
IGE nutzt wegweisende optische Messtechnik von Hexagon für Messungen des Radprofil-Verschleißes
Kontakt
Seit mehr als 30 Jahren ist IGE ein Begriff in der europäischen Eisenbahnszene. Nun ist die Internationale Gesellschaft für Eisenbahnverkehr zudem eine Pionierin im Bereich moderne Analysewerkzeuge. Mit Einführung der optischen Messtechnik von NEXTSENSE, Teil des Geschäftsbereichs Manufacturing Intelligence von Hexagon, ersetzt das Unternehmen veraltete Radprofil-Messinstrumente durch digitale Geräte. Anwenderunabhängige Messwerte, präzisere Ergebnisse und einfachste Bedienung auf Knopfdruck bieten Anlass zu großer Begeisterung in der Belegschaft.
Als eines der wenigen privaten Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland bietet IGE eine breite Palette an Dienstleistungen für den Schienenverkehr an. Ganz gleich, ob Gütertransporte, Spezialtransporte oder Nostalgiefahrten für Touristen, der Bahnbetreiber befördert seine Fahrgäste und vor allem Güter in ganz Europa. Jeden Tag gilt es, zahlreiche voll beladene ausländische Waggons über das europäische Schienennetz zu leiten. Zweifelsohne spielt dabei die Sicherheit eine entscheidende Rolle.
Jeder Waggon wird vor Abfahrt sorgfältig von ausgebildeten Wagenmeistern geprüft. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Rädern. Der manuelle und visuelle Prüfprozess nimmt je nach Zuglänge und Wagenzustand zwei bis drei Stunden in Anspruch. Die für die Weiterfahrt erforderlichen Dokumente werden nur für Waggons ausgestellt, die diese Prüfung bestehen. Liegen jedoch betriebsgefährdende Mängel vor, wird der Wagen aus der Zugreihung ausgekoppelt, auf ein Abstellgleis rangiert und das weitere Vorgehen mit dem Fahrzeughalter abgestimmt.
Stefan Garditz, der für die Fahrzeugsicherheit verantwortliche Eisenbahnbetriebsleiter bei IGE erklärt: „Obwohl die Qualität der Waggons sehr hoch ist, besteht das Risiko, dass ein Zug aufgrund eines Sicherheitsproblems nicht abfahren kann. Wir können derartige Defekte nur dann frühzeitig erkennen und den Waggon aus dem Betrieb nehmen, wenn wir den Verschleiß der Eisenbahnräder genau untersuchen.”
Spurkranz-Messungen
Bis vor Kurzem prüfte IGE den Verschleiß der einzelnen Eisenbahnräder manuell mit einem Messschieber. Ein Wagenmeister kletterte dazu unter den Waggon und legte den Messschieber am Rad an. In der Regel wurde der Spurkranz gemessen, im Zweifelsfall konnte ein erfahrener Wagenmeister auch mit bloßem Auge die Hohlkehle
der Laufflächen feststellen.
„Diese manuelle Methode birgt jedoch das Risiko unterschiedlicher Messergebnisse in Abhängigkeit vom Prüfenden“, erläutert Garditz. „Zeitdruck und die falsche Handhabung des Messschiebers sind die beiden häufigsten Fehlerquellen.”
Mit diesem Verfahren war eine Kontinuität und Vergleichbarkeit der Ergebnisse nahezu unmöglich. Außerdem ist das manuelle Messen mit dem Messschieber mit einer körperlichen Belastung verbunden, die insbesondere für die ältere Generation von Wagenmeistern nicht zu vernachlässigen ist.
Anwenderunabhängige Messergebnisse
Unzufrieden mit dieser Situation wurde Garditz auf die optischen Messinstrumente von NEXTSENSE aufmerksam, die auf einer patentierten Weiterentwicklung der Laser-Lichtschnitt-Technologie basieren. Ein Algorithmus korrigiert die Kipp- und Drehbewegung des Messinstruments, sodass unabhängig vom jeweiligen Nutzer dieselben Messergebnisse erzielt werden.
„Auf einer Messe konnte ich die Messinstrumente von NEXTSENSE das erste Mal anschauen und testen. Ich wusste sofort: Das brauchen wir bei IGE. Danach hatten wir lange gesucht”, sagt Garditz.
Insbesondere CALIPRI Prime, ein laserbasiertes handgeführtes Messgerät, gewährleistet bei der Überprüfung des Spurkranz-Verschleißes anwenderunabhängige Messwerte im Mikrometerbereich. Innerhalb weniger Sekunden erfasst die Kamera/Laser- Einheit im Messgerät die wichtigsten Spurkranz-Maße (Höhe, Dicke, qR-Maß) des Radsatzes. Dabei muss das Rad nicht berührt werden. Daher besteht kein Risiko eines ‚Kippens‘ des Messgeräts wie bei herkömmlichen Prüfmitteln.
Bei Bedarf lassen sich auch Radbreite, Hohllauf und Überwalzung bestimmen sowie Grenzwertüberschreitungen farbkodieren. Die Messgrößen werden sofort nach der Inspektion am Gerät angezeigt und lassen sich digital an einen Computer übermitteln.
Die Einführung eines digitalen Messgeräts als Ersatz für die bisherigen Verfahren stieß bei der Belegschaft auf keinerlei Widerstand. „Es gab keine Akzeptanzprobleme. Auch unsere dienstälteren Kollegen nahmen das neue
Messgerät begeistert an. Es ist in vielerlei Hinsicht eine große Erleichterung, sei es wegen der schnellen Messungen auf Knopfdruck, der viel höheren Genauigkeit oder der körperlichen Entlastung, nicht mehr unter die Waggons klettern zu müssen“, sagt Garditz.
„Das Beste ist jedoch, dass das Gerät einen gewissen Jagdinstinkt ausgelöst hat“, lacht er. „Meine Kollegen nutzen CALIPRI Prime, um ihre eigene Einschätzung des Profilverschleißes zu überprüfen. Sie prüfen ihre eigenen Ergebnisse. Wenn die Arbeit so viel Freude bereitet, sind wir sicher auf dem richtigen Weg.”
Vielfältige Anwendungsgebiete
Auch wenn der Hauptzweck die stichprobenartige Profilmessung von Güterwagenradsätzen ist, setzt IGE CALIPRI Prime auch auf andere Weise sinnvoll ein, z. B. in Schulungen für das Prüfpersonal. „Die auf den hundertstel Millimeter genauen Werte der Spurkranz-Messung lösen regelmäßig großes Staunen unter den Teilnehmern aus”, sagt Garditz.
„Oder auch bei Nostalgiefahrten mit historischen Schienenfahrzeugen: Kürzlich gab es den Fall eines unruhig laufenden Passagierwagens. Also habe ich am nächsten Halt das Messgerät aus der Tasche genommen und den Spurkranz-Verschleiß überprüft. Auf diese Weise konnten wir rasch feststellen, dass das Problem nicht von den Rädern verursacht wurde“, sagte Garditz.
Papierlose Aussichten
Die schnell wachsende IGE verfolgt in klares Ziel: In naher Zukunft soll jeder Wagenmeister sein eigenes CALIPRI Prime Gerät erhalten, damit, so Garditz, "das fehleranfällige manuelle Messen" gänzlich entfällt. Parallel dazu soll auch die papierlose Verwaltung der Messergebnisse umgesetzt werden. Jeder Radsatz soll demnach einen Strichcode erhalten, sodass die jeweiligen Messwerte sofort nach der Messung digital an den Fahrzeughalter übermittelt werden können. Neben den erheblichen Zeiteinsparungen könnten so zahlreiche potenzielle Fehlerquellen von vornherein ausgeschlossen werden.
Hexagon teilt diese Vision der Digitalisierung im Schienenverkehr und hat bereits eine Smartphone-App entwickelt, mit der sich Messpläne erstellen und aktualisieren lassen. Darüber hinaus können Fahrzeugprüfer in Echtzeit direkt am Gleis Identifizierungsdaten für Fahrzeug, Achse und Rad eingeben.
Angesichts laufender Produktentwicklungen bei Hexagon könnte seine Vision bald Wirklichkeit werden. Das Unternehmen arbeitet bereits an verschiedenen Softwarelösungen, die handgeschriebene Dokumentationen überflüssig machen. Messpläne lassen sich bereits heute über eine App und ein Smartphone verwalten und Daten zur Identifizierung des Fahrzeugs, der Achse und des Rades können direkt am Gleis eingegeben werden.