Die 3D digitalisierung des Hadrianstempels
Österreichischen Archäologischen Instituts - Österreich
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Der 1956 entdeckte „Hadrianstempel“ (Ephesus, Türkei) ist eines der historisch bedeutungsvollsten Monumente der Region. Bereits im Sommer 1957 begannen umfassende Rekonstruktionsarbeiten, die im Jahr 1958 abgeschlossen wurden. Fragen zu Chronologie, Funktion sowie Rekonstruktionsdetails konnten jedoch bis dato nie endgültig gelöst werden. Ein seitens des Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) Wien initiiertes und durch den Österreichischen Wissenschaftsfonds gefördertes Projekt soll Klärung in diese Ungereimtheiten bringen.
Zielsetzung und Messobjekt
Zur Erforschung des Bauwerks und seiner zahlreichen Details müssen zunächst die architektonischen und historischen Parameter der Gebäudestruktur durch ein hochauflösendes dreidimensionales Oberflächenabbild des Hadrianstempels geklärt werden. Damit lässt sich ein aktuelles archäologisches Profil mit einer detailgetreuen Dokumentation jedes Steins und seiner Einschnitte, Werkzeugspuren und Verzierungen anfertigen. Ein wesentliches Ziel ist auch die Erzeugung von Orthobildern, die zur Kartierung von Spalten und Rissen durch einen spezialisierten Restaurator herangezogen werden. Dieser kann damit die originalen Baubestandteile des Tempels mit seinen modernen Ergänzungen vergleichen.
Von Hand angefertigte Zeichnungen sind erheblich zeitaufwändiger als 3D Scans und erfordern den Aufbau von Gerüsten über einen längeren Zeitraum. Die dreidimensionale Erfassung des Tempels spart Zeit und eliminiert zudem den Faktor subjektiver Dokumentation: Objektive, präzise 3D Daten ermöglichen fundierte Interpretationen aller baulichen Details.
Messystem und Aufbau
Die Dokumentation von Marmorblöcken, insbesondere von solchen mit reichen Verzierungen wie im Fall des Hadrianstempels, erfordert ein sehr hohes Maß an Detailgenauigkeit. Hier ermöglicht der AICON SmartScan die 3D Digitalisierung von archäologischen Objekten wie Skulpturen oder Gebäuden mit höchster Auflösung und Detailtreue. Darüber hinaus werden auch Textur und Farbe des Objekts aufgezeichnet, so dass eine pixel-genaue Zugehörigkeit von 3D Koordinaten und Farbinformationen verfügbar ist.
Der Hadrianstempel misst im Grundriss ca. 10 x 10 m bei einer Gesamthöhe von etwa 8 m, weshalb zum Scannen der AICON SmartScan mit Messfeldern von 600 mm und 1.400 mm zum Einsatz kommt. Ein 6 m hohes Gerüst sowie die Montage des Scanners auf einem bis zu 3 m verlängerbaren Stativ garantieren die erforderliche Nähe des Messsystems zum Scanobjekt. Für optimale Lichtverhältnisse werden sämtliche Messungen bei Nacht vorgenommen.
Arbeitsablauf
Um die Genauigkeit der Scans für den gesamten Tempel im Millimeterbereich zu gewährleisten, werden die hochauflösenden Oberflächenscans auf eine photogrammetrische Messung mit der AICON MoveInspect DPA mit etwa 75 Indexmarken referenziert. Dabei wurden 35 dieser Referenzmarken zusätzlich mit einem Theodolit gemessen, einem Winkelmessinstrument zur Messung von Horizontal- und Vertikalwinkeln. Mit diesen Daten lassen sich die Position des Tempels und sein näheres Umfeld 1:1 in das Ephesus-Referenzsystem überführen.
Die originalen Marmor-Friesblöcke des Hadrianstempels befinden sich im Efes Museum in Selçuk, während für den Wiederaufbau vor Ort aus Beton gegossene Duplikate verwendet wurden. Sowohl die Originalreliefs als auch deren Nachbildungen werden gescannt, denn der direkte Vergleich mittels Datenüberlagerung ermöglicht die eindrucksvolle Visualisierung der durch 50 Jahre Witterungseinflüsse bedingten Beschädigungen der Betonduplikate.
Ergänzend zu den Bauteilen der bestehenden Rekonstruktion wurde eine Reihe weiterer architektonischer Elemente gescannt. Die generierten 3D Daten dienen nun als Basis für deren virtuelle Nachbildung. Nachdem die Erfassung abgeschlossen ist, werden alle Daten in ein gemeinsames Polygonnetz zusammengeführt. Wo erforderlich, lassen sich kleinere Löcher mithilfe der AICON Software OptoCat automatisch füllen.
Ergebnis
Wie die Scanbilder zeigen, ist das Verbergen der Textur des 3D Modells von Vorteil: Die 3D Struktur ist klarer zu erkennen, wenn der Marmor keine Verfärbungen z. B. durch Verschmutzungen aufweist.
Im Verlauf des Projekts wird jedes einzelne architektonische Element des Gebäudekomplexes gescannt. Gemeinsam mit dem 3D Abbild des Tempels lässt sich verifizieren, ob die rekonstruierten Teile korrekt mit ihren architektonischen Überresten übereinstimmen, insbesondere im Hinblick auf deren Verbindungs- und Werkzeugspuren. Je nach Ergebnis dieser Überprüfung müssen gegebenenfalls alternative Rekonstruktionsformen eruiert werden.
Ein weiterer Gesichtspunkt der Datennachbearbeitung ist die Generierung von Orthobildern für Publikationen sowie die Herstellung von Kartenmaterial.
Insgesamt bieten die 3D Daten des AICON SmartScan nicht nur ein wichtiges Instrumentarium für die Dokumentation des Hadrianstempels. Sie liefern darüber hinaus bedeutende Informationen für die Beantwortung komplexer architektonischer Ungereimtheiten.
Wir bedanken uns bei Dr. Ursula Quatember und Barbara Thuswaldner (Österreichisches Archäologisches Institut Wien), Robert Kalasek (Technische Universität Wien), J. Koder und S. Ladstätter (Ephesus-Ausgrabungsteam), C. Topal (Direktor des Efes Museums in Selçuk), F. Otztürk und Ch. Kurtze für ihre wertvollen Beiträge zum Gelingen dieses Projekts.